16.06.2021
Immer wieder gelangen Menschen an einen Punkt, an dem sie feststellen, dass sich das Leben in den gewohnten Bahnen so nicht mehr fortsetzen lässt. Herr Dr. Bihlmaier hat einen solchen Wendepunkt erlebt. Wie es dazu kam und welche neuen Perspektiven sich für ihn daraus ergeben haben, hat er uns hier berichtet.
Herr Dr. Bihlmaier, Sie waren lange Zeit als Gynäkologe und in der Kinderwunschbehandlung tätig, haben diesen Beruf aber aufgegeben. Wie kam es dazu?
Ich habe seinerzeit eine Patientin betreut, die nach einer erfolgreichen Kinderwunschbehandlung mit Zwillingen schwanger war. Zum Ende der Schwangerschaft trat eine Komplikation ein, bei der das eine Kind mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf nach unten lag. Ich nahm daraufhin mit der Uniklinik in Mainz Kontakt auf, so dass man dort über die Umstände informiert war. Ein paar Wochen vor dem Geburtstermin erhielt ich nachts einen Anruf, dass Fruchtwasser bei der Patientin abgegangen war. Wenige Stunden zuvor hatte ich vom Tod meines Schwagers erfahren müssen und war, wie Sie sich vorstellen können, emotional noch sehr aufgewühlt. In dieser Situation einen klaren Gedanken zu fassen, fiel mir sehr schwer.
Was stand denn auf dem Spiel?
Bei einem vorzeitigen Fruchtwasserabgang besteht die Gefahr, dass die Nabelschnur in den Geburtskanal rutscht und abgeklemmt wird, so dass das Kind nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird und infolgedessen verstirbt. Die Situation war hoch riskant. Die Frau musste so schnell wie möglich ins Krankenhaus, das nächstgelegene war in Darmstadt. Aus meiner Sicht, war aber der Uniklinik in Mainz der Vorzug zu geben. Das war eine schwierige Konfliktsituation, in der ich eine Entscheidung als behandelnder Arzt treffen musste.
Wie haben Sie sich entschieden und was waren die Konsequenzen?
Ich habe mich letztendlich für die Uniklinik Mainz entschieden, bin in der Nacht noch dort hingefahren und habe auf das Eintreffen meiner Patientin gewartet. Die Zeit erschien mir bis dahin endlos, meine Nerven lagen blank. Gottseidank ging alles gut aus! Auf der Heimfahrt wurde mir schlagartig klar, dass ich derartigen Zerreißproben nicht mehr gewachsen bin und dass die Angst zu groß ist, als Arzt die falsche Entscheidung zu treffen.
Welche Perspektiven hatten Sie in Bezug auf Ihre Zukunft?
Ich war zu diesem Zeitpunkt 57 Jahr und hatte eine Familie zu versorgen, insofern wäre ich zu vielem bereit gewesen. Nach wie vor wollte ich gerne Menschen helfen, das hat mir schon immer Freude bereitet. Zukunftsängste hatte ich keine, ich hatte ein gesundes Gottvertrauen, dass sich schon neue Perspektiven ergeben werden. Und so war es dann auch. Nur 3-4 Wochen später las ich eine Annonce von einem Einsendelabor, das einen endokrinologisch interessierten Frauenarzt suchte. Diese Stelle habe ich dann auch bekommen – rückblickend war das alles für mich ein kleines Wunder oder auch göttliche Fügung. Mit über 70 Jahren arbeite ich noch immer dort und fühle mich sehr wohl.
Wenn es die Feldkapelle seinerzeit schon gegeben hätte, wäre das für Sie ein Ort gewesen, um über sich und das weitere Leben nachzudenken?
Das denke ich schon. Heute gehe ich gerne zur Feldkapelle, wenn mich Dinge beschäftigen, über die ich in Ruhe nachdenken muss. Es ist ein besonderer Ort und hat nichts mit einer romantischen Bergkirche gemein, wie man vom Namen her vielleicht meinen könnte.
Was fasziniert Sie an der Feldkapelle?
Für mich ist die Feldkapelle ein Monument mit einer wuchtigen und wichtigen theologischen Aussage, eingebettet in eine versöhnliche Natur. Die Feldkapelle vereint alle drei monotheistischen Religionen – symbolisch dargestellt durch das Passionskreuz aus Stahl, stellvertretend für das Christentum, den Glaskubus als stilisierte Kaba für den Islam und den Dornbusch, im Inneren, für das Judentum. Wenn nun diese drei Weltreligionen wirksam zusammenarbeiten würden, um der Welt Einigkeit, soziale Hilfe, Wohlwollen, Gesundheit und damit Frieden zu ermöglichen, dann wäre die Feldkapelle ein Denkmal, das eine weltweit friedliche Botschaft verkündet.