30.08.2021

Begegnung und Beziehung

Interview mit Herrn Jung

Herr Jung ist studierter Theologe und hat sich intensiv mit der Feldkapelle beschäftigt. Wie er die Feldkapelle sieht und warum sie ihm am Herzen liegt, hat er uns im folgenden Interview erzählt.

Sascha Jung
Sascha Jung

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Herr Jung, Sie engagieren sich seit einiger Zeit ehrenamtlich für die Feldkapelle in Wiesbaden. Warum ist die Feldkapelle ein Herzensprojekt für Sie?

Vor einigen Jahren habe ich den Stifter der Feldkapelle kennengelernt und im Gespräch berichtete er mir davon, dass er eine Kapelle bauen würde. Ich war zunächst sehr verwundert, da allerorts Kirchen verkleinert, aufgegeben oder abgerissen werden. „Was für einen Sinn macht es da, eine Kapelle zu bauen?“, fragte ich mich. Eines Tages las ich einen Bericht im Wiesbadener Kurier, der mich erneut mit dieser Kapelle konfrontierte und der mein Interesse daran weckte. Ich suchte erneut den Kontakt zum Initiator und Stifter der Kapelle. Wir pflegten daraufhin einen intensiven Gedankenaustausch, in dem sich mir die Bedeutung und Aussage der Feldkapelle zusehends erschloss und ich mich für dieses Projekt mehr und mehr begeisterte. Als Theologe finde ich es wichtig, dass Menschen auch außerhalb des klassischen Kirchenraums die Möglichkeit haben, ins Gebet zu kommen oder zu sich selbst zu finden. Die Feldkapelle bietet dazu den passenden Rahmen.

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Die „Goldene Regel“ steht im Mittelpunkt der Botschaft, die die Feldkapelle aussendet. Können Sie uns diese etwas näher erläutern, was steckt dahinter?

Die "Goldene Regel" findet sich in leicht veränderter Form in allen Weltreligionen wieder. In der Bibel bezeichnet sie ein Wort Jesu im Neuen Testament, welches uns sowohl von den Evangelisten Lukas als auch Matthäus überliefert wurde. Bei Matthäus heißt es: "Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!"(vgl. Mt 7,12). Diese Aussage ist eingebettet in eine große Ansprache Jesu, die als Bergpredigt bekannt geworden ist. Jesus wollte den Menschen mit seinen Worten eine Ermutigung zum Leben geben, ebenso eine Ermutigung zum Lieben. Es geht im Kern der Aussage um ein gelingendes Miteinander der Menschen, indem jeder gibt und wiederum empfängt. Die Predigt von Jesus war lang, so dass er Kernaussagen formulierte, die im Gedächtnis seiner Jüngerinnen und Jünger haften bleiben konnten. Die "Goldene Regel" ist ein solcher Satz, in den vieles einfließt, was die Botschaft Jesu ausmacht. Die Feldkapelle in Wiesbaden beruft sich daher auf diesen einen Satz aus dem Matthäusevangelium, und stellt damit ein wichtige Handlungsmaxime für uns Menschen in den Mittelpunkt ihrer Aussage.

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Gibt es Begebenheiten mit Menschen, die die Feldkapelle besucht haben, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind?

Ja, die gibt es. Bei der Einweihung der Kapelle gab es Begegnungen mit Menschen, die von der Art und Weise, wie hier Gläubige und Nichtgläubige angesprochen werden, begeistert waren. Als engagierte Christen wollten sie diesen frischen Wind in die Kirche hineintragen. Die Gespräche waren so anregend, dass es im Nachgang u.a. eine gemeinsame Sitzung im Pfarrgemeinderat gab, der ich beiwohnen durfte. Dort wurde eruiert, wie der Glaube heute mit unkonventionellen Mitteln Menschen erreichen kann. Denn die Sehnsucht der Menschen nach Spiritualität ist ungebrochen, nur die Form entspricht für viele nicht mehr dem Zeitgeist. Nehmen wir doch nochmal die Feldkapelle als Beispiel. Den zufälligen Besucher spricht zunächst einmal das künstlerische Erscheinungsbild an. Lässt er sich auf die Feldkapelle ein, nimmt er auch Anteil an ihrer Botschaft.

Des Weiteren ist mir bei der Einweihung die Aussage einer Person in Erinnerung geblieben, die meinte, der Stifter der Kapelle setze sich hier ein Denkmal. Ich entgegnete daraufhin, dass es genau andersherum sei. Er habe einen Ort geschaffen, der den Menschen wie folgt anspricht: "Denk-mal-nach, was du mit deinem Leben anstellen könntest, wenn du dich auf das Evangelium Jesu einlässt!"

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Sie hatten maßgeblichen Anteil an den Objekten, die im Glaskubus zu finden sind. Warum sollten es gerade diese Objekte sein?

Als Theologe, Christ und deutscher Staatsbürger ist mir der Dialog mit dem Judentum ein großes Anliegen. Daher hatte ich dem Stifter vorgeschlagen, in die Feldkapelle einige Symbole des Alten Testaments aufzunehmen. Da wäre zum einen der brennende Dornbusch aus dem 2. Buch Moses (Exodus) genauso wie die ausgezogenen Schuhe, die angelehnt sind an die Textstelle: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe aus von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist ein heilig Land! (Exodus 3,5). Zuletzt noch der Kerzenhalter, dessen Sockel die Seraphimflügel (Engelsflügel) in stilisierter Form zeigen und der an die Geschichte von Jakobs Traum von der Himmelsleiter erinnert (Genesis 28,12). So ist die Feldkapelle in der Verbindung dieser Symbole mit der "Goldenen Regel" ein künstlerisches Bekenntnis zur "Zwei-Einen-Bibel", zur geschwisterlichen Verbundenheit des Christentums mit dem "älteren Bruder", dem Judentum. Und damit wird die Kapelle auch zu einem Ort des interreligiösen Dialogs.

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Wer sollte ihrer Meinung nach unbedingt die Feldkapelle besuchen und aus welchem Grund?

Alle, die Lust am Entdecken haben. Es gibt viele Symbole, die zu finden sind und die den Betrachter zum Nachdenken oder zum Nachfragen anregen. Ebenso alle, die Lust haben sich selbst - von Gott - entdecken zu lassen. In der herrlichen Natur, der Stille des Ortes zu verweilen, wird zu einem Moment, wo Gott den Menschen anrühren kann. Und ebenso rührt die Botschaft der Kapelle mit Mt 7,12 den Menschen an, sich in Liebe und dienender Demut seinen Nächsten zu nähern und für sie da zu sein.

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