20.10.2023
Stefan Kaiser ist Gemeindevorsteher der Alt-Keltischen Kirche Wiesbaden.
In unserem Interview bietet er uns inspirierende Einblicke in die Geschichte und Spiritualität der Alt-Keltischen Kirche und in die Bedeutung von Orten wie der Feldkapelle Wiesbaden für seine Glaubensgemeinschaft.
Herr Kaiser, als Leiter der Alt-Keltischen Kirche Wiesbaden stehen Sie für eine Glaubensgemeinschaft, die vielleicht nicht allen Leserinnen und Lesern bekannt ist.
Könnten Sie kurz erläutern, was diese auszeichnet und wie Sie und Ihre Gemeinde in Wiesbaden aktiv sind?
Die Alt-Keltische Kirche wurde in Frankreich in der Mitte des 20. Jahrhunderts gegründet – als Teil der Renaissance der keltischen Kirche und der Rückbesinnung auf eine Schöpfungsbejahende Theologie. Darunter verstehen wir, dass wir im Blick auf den Menschen die Erschaffung nach Gottes Ebenbild betonen und dem Konzept der Erbsünde weniger Bedeutung beimessen.
Aufgrund der Nähe zur keltischen Spiritualität verbinden seit der Gründungszeit viele Mitglieder ihre Spiritualität mit dem modernen Druidentum, das um 1500 in Deutschland entstand und neben Frankreich auf den britischen Inseln zur Blüte gelangte. In Wiesbaden befindet sich eine Eremitage und der Verwaltungssitz der Kirche.
Als Kleriker der Alt-Keltischen Kirche Wiesbaden befinden Sie sich nicht nur in räumlicher Nähe zur Feldkapelle.
Wie sind Sie auf die Kapelle aufmerksam geworden und was interessiert Sie an dem Gebäude und dem Gedanken, der dahintersteht?
Tatsächlich habe ich nach einer Kapelle in oder in der Nähe von Wiesbaden gesucht, in der eine kleine Anzahl von Teilnehmern zum Gebet innehalten und Gottesdienste feiern kann.
In diesem Sinne konnten wir die Feldkapelle auch schon einige Male nutzen – mit einer Zwangspause in der Corona-Zeit. Ich bin von der offenen Architektur und der Nähe zur Natur sehr angetan. Diese eignet sich besonders für das Gebet und zur Meditation.
An die bisherigen Veranstaltungen möchten wir gerne anknüpfen. Mich erinnert die Feldkapelle an die Grüne Kapelle in der Artussage. Der Blick auf das Grün und den Hinkelstein vor der Tür hat etwas sehr Besinnliches.
Welche Veranstaltungen oder Gebetszeiten können Sie sich hier vorstellen und aus welchem Grund?
Gebetszeiten entstehen immer, wenn sich Menschen zusammenfinden und beten wollen.
Wir denken darüber nach, zu den acht keltischen Jahreskreisfesten zu Gebeten und Meditationen einzuladen. Diese greifen inhaltlich sowohl die Jahreszeiten als auch die Themen des kirchlichen Jahreskreises auf.
Die Feldkapelle Wiesbaden, das bedeutete dem Stifter sehr viel, ist ein sehr freier Bau inmitten der Natur.
Naturverbundenheit spielt auch in der Keltischen Kirche eine große Rolle. Die Alt-Keltische Kirche (Ancient Celtic Church) bezeichnet sich selbst auch als „mystische Gemeinschaft der Naturverbundenheit“.
Könnten Sie kurz beschreiben, was Ihnen an der Verbindung Glaube und Natur besonders wichtig ist?
Die keltische Kirche hat das Göttliche immer auch in der Natur gesucht, also in der Immanenz. An den so genannten dünnen Orten und Zeiten wurde eine besondere Nähe zu Gott gefühlt, z.B. an heiligen Quellen oder in der Zeit von Allerheiligen.
Es gab auch Vertreter in der von Rom ausgehenden Kirche, die dies so sahen, wie z.B. den Heiligen Bernhard von Clairvaux und Martin Luther, der die Natur als die zweite Heilige Schrift angesehen hat. Aber die Betonung liegt häufig in der Transzendenz und vergisst dabei die Gegenwärtigkeit Gottes in der Immanenz.
In der modernen Zeit haben wir gelernt, dass eine Entkopplung von der Natur zu verschiedenen psychischen Problemen wie Angst und Depression führen kann. Unsere Spiritualität mit ihrer Verbindung zur Natur, dem Gesang und Gebet sorgt für seelische Balance und Gesundheit.
Die Aussage „Selig, die Frieden stiften (Mt 5, 1-12)“ spielt eine wichtige Rolle in der Alt-Keltischen Kirche. Der Grundgedanke der Feldkapelle basiert auf Matth. 7,12., also der "Goldenen Regel".
Sehen Sie hier eine Verbindung?
Frieden geht tiefer als nur die Abwesenheit von Streit und Krieg. Jesus Christus und vor ihm die Propheten haben über sich selbst gesagt, dass sie demütig und sanftmütig sind.
Sowohl Frieden als auch Demut drücken für den Mystiker eine Haltung von Nichtreagieren aus, die sowohl im Gebet als auch der Meditation die Voraussetzung für Erkenntnis und Weisheit ist. Sanftmut ist eine Qualität von Liebe und gewähren lassen.
Die Goldene Regel ist nicht nur eine wichtige Regel für das harmonische Zusammenleben, sondern ermöglicht auch ein spirituelles Leben.
Sicherlich haben Sie jetzt das Interesse einiger Menschen geweckt. Wo können sich diese über die Alt-Keltische Kirche im Allgemeinen und über Aktivitäten in Wiesbaden im Speziellen informieren?
Wir beschreiben sehr ausführlich unser Gebets- und Meditationsleben auf unserer Website www.alt-keltische-kirche.de und beantworten auch gerne Anfragen per E-Mail.
Ganz herzlichen Dank für dieses Gespräch und Ihre Informationen! Wir freuen uns auf Ihre kommenden Veranstaltungen in der Feldkapelle Wiesbaden.